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Dienstag, 12. August 2014

Pflege, Curriculum und Melbournes Gastfreundschaft

Al Green trällert wieder einmal im Hintergrund. Es ist 10:00 pm, die Heizung ist an und ich hab mir ein Glas Vino eingeschenkt. Das Glas muss ich bis ins Unendliche geniessen und am Besten wäre wenn man es noch auswinden könnte, da ich für die Flasche 15 Euro gezahlt habe :)

Schon fast drei Wochen im regnerischen/windigen/sonnigen Melbourne! Mittlerweile weiss ich wie ich mit der Wettersituation umgehen muss. Zwiebellook, Sonnenbrille und Brelly (Regenschirm). Gerüstet für ALLES fahre ich jeden Tag um acht in die Uni und komm meistens zur gleichen Zeit Abends wieder nach Hause. Es gibt einfach viel zu viel zu lernen, zu hören, zu erkunden und ich bin ehrlich gesagt sehr gerne dort.

Mein Vorhaben, Euch meinen "Arbeitsalltag" und vor allem das Curriculum für nursing zu erklären, habe ich mir fast schon wieder aus dem Kopf geschlagen, aber ich will es dennoch versuchen.

Nursing: Wie im letzten Eintrag schon kurz angeschnitten ist die Ausbildung hier ein Bachelorstudiengang der drei Jahre lang dauert. Allerdings gibt es verschiedene Wege.

1. Man kann ein Diploma of nursing machen und ist dann eine "enrolled Nurse". Dieses dauert 18 Monate. Früher hiess dass: Division 2 Nurse. Damit ist man befähigt die Pflege am Patienten auszuführen aber man darf keinerlei Medikamente vorbereiten oder verabreichen, genauso wenig darf man Pflegeplanungen erstellen. Mit diesem Abschluss kann man sich allerdings an der Uni bewerben und wenn man Glück hat kann man ein Semester anerkannt bekommen. Um die nötigen Credits zu bekommen, müssen allerdings die gelernten Themengebiete mit denen des 1. Semester an der Uni übereinstimmen. Falls dies der Fall ist wird man ins 2. Semester befördert.

2. Bachelor (Früher Division 1 Nurse). Nach erfolgreichem Abschluss des dreijährigen Studiengangs ist man dann eine "undergraduate Nurse". Dem kann dann ein "postgrad" Studium angeschlossen werden, welchem dann wiederum der Master aufgesetzt werden kann, was wiederum zum PhD führen kann. Ein "Doctor of nursing" ist in Deutschland einfach sowas von selten. Gibts die überhaupt schon?

Eine weitere Besonderheit ist das "nursing board". Wenn man so will eine Pflegekammer. Hier in Australien heisst die Organisation "Australian Health Practitioner Regulation Agency" (AHPRA). Sie sind verantwortlich für die Registrierung aller Krankenschwestern Australienweit und die Anerkennung des Curriculums der jeweiligen Unis. Vor AHPRA gab es je State (mein Wohnsitz ist in Victoria) ein Board. Vor drei Jahren wurde dies zusammen mit anderen Berufen unter einem Schirm zusammengefasst.
>>Aboriginal and Torres Strait Islander Health Practice Board, Chinese Medicine BoardChiropractic Board, Dental BoardMedical Board, Medical Radiation Practice BoardNursing and Midwifery Board,  Occupational Therapy BoardOptometry Board, Osteopathy BoardPharmacy Board, Physiotherapie BoardPodiatry Board, Psychology Board<<

Zum Thema Registrierung: Man zahlt jährlich 140 $, muss einen "Work-with-children" Pass haben, ein sauberes Führungszeugnisse und Englischkenntnisse nachweisen.

Hier der Link dazu:  http://www.ahpra.gov.au/About-AHPRA.aspx

Sollte jemand von Euch eine Australische Pflegekraft kennen, kann er sie dort finden, nachlesen wann sie registriert wurde, was ihre Fachdisziplin ist und ob sie Dreck am Stecken hat. Oh ja! Ein Beispiel: wenn ein Mitarbeiter Alkoholmissbrauch betreibt kann die Leitung AHPRA informieren. Dies kann (je nach Fall) bis zum Gerichtstermin gehen. Einem Alkoholkranken würden sie aber auf jedem Fall den Zugang zu Medikamenten verwehren und genau dass würde in der AHPRA-Akte stehen, welche der Öffentlichkeit auf oben angeführter Website zugänglich ist.

Die Akkredierungskriterien werden alle drei Jahre überarbeitet und von AHPRA geprüft. Heather, unsere Curriculumsbeauftragte hat mir gestern knappe 3 h in einem zackigen Tempo erklärt wie die Standards und die Anerkennung funktioniert und mich mit 3 übelst dicken Ordner zur Vorlesung entlassen. Uffff..... Gott sei dank war die Abendvorlesung über "Dual Diagnosen" super witzig und entspannt!

Ein weiterer interessanter Aspekt ist die praktische Ausbildung. Da die Studenten nur einmal pro Jahr ein "Clinical Placement" auf Station mit Supervision haben (mehr dazu wenn ich mal auf Station rumgesaust bin) sind sie natürlich nicht so fix mit Pflegehandgriffen. Um dies auszugleichen wird jeder Handgriff, von der Mobilisation bis hin zum extremsten Notfall an Dummies geübt. Und an denen kann man tatsächlich alles üben! Vom Kathetern, über Magensondenlegen bis hin zum Intensivszenario. Hoffentlich liest keiner von meinen Studenten mit, denn in irgendeinem Training wird SIMman durch mich zum bayrischen Grantler :)

Leider kein Video von RMIT sonder von der Nachbaruni: https://www.youtube.com/watch?v=7tu-m0xJjxw



Die erste Woche habe ich ja schon kurz im letzten Blog angeschnitten. Nachdem ich also "set" und ready to go war ging es gleich los. Hatte am Freitag meine 1. Vorlesung. Publikum war ein wahnsinnig geduldiges und freundliches 2. Semester. Thema war Altern in Bezug auf die physiologische Entwicklung. Meine junggebliebene, fast sechzigjährige Supervisorin ist nach der Vorstellung meinerseits vorsichtshalber neben mir stehen geblieben, sollte ich Sprachdefizite haben. Da das Thema unter andrem auch negative Aspekte des Alterns beinhaltet musste ich, mit Mikrophon am Hemd, laut loslachen als ich in Ihr fragendes Gesicht blickte als ich von krummen Rücken und steifen Gelenken sprach. Ab dem Moment war meine Anspannung vorbei und ich war im Redefluss :) Jenni, wenn du mit liest: nochmal Danke für das Vertrauen :)

Mit dem "Head of Disciplin" also der Rektorin der Schule habe ich dann meine darauffolgende Woche durchgeplant. Eine komplette Woche Observation! Dass heisst ich darf mich in alle Vorlesungen reinsetzen um einen Einblick zu bekommen was, wann, wie, durch wen gelehrt wird. Ich lerne und profitiere so unendlich davon! Zum einen weil ich sehr viel fachliches Lernen kann (einige Abendvorlesungen werde ich sicherlich weiterhin nach meinem Arbeitstag mitnehmen) und zum anderen weil ich sehr viel über Didaktik, unterschiedliche Methodik und Unterrichtsphilosophie erfahre.

Man arbeitet hier mit der Taxonomie nach Blooms. Also ähnlich wie es uns an der KsFH gelehrt wurde. Schaut es einfach selber nach :) Lernziele werden tatsächliche visualisiert, Überblick vor Vorlesungsbeginn gegeben, Kontrollfragen (wie z.B. in der Vererbungslehre anhand Harry Potter) bei langen Vorlesungen auch zwischendrin gestellt und danach Platz für offene Fragen gestellt. Oft wird auch mit einer kleinen Wiederholung der letzten Stunde angefangen. Find ich alles sehr gut! Leider gibt es wie auch daheim technische Probleme, z.B. werden die Vorlesungen teilweise nicht aufgenommen weil irgendein Micro spinnt etc. In den meisten Vorlesungen ist man nicht zur Anwesenheit verpflichtet was sich, auch wie daheim, in der schwächten Teilnehmerzahl widerspiegelt. Die Labs (also das Üben von Techniken, Maßnahmen oder Erarbeiten von Fallstudien) ist so gut wie immer verpflichtend.

Auch interessant ist, dass es nicht nur eine Klausur zum Semesterende gibt sondern eine 1. Hürde ohne Note, ein mid-semester Test, ein schriftliches Assignment (eine Art Hausarbeit) und dann noch die Prüfung am Schluss die meist mit 50 % gewertet wird.

Heute hatte ich eigentlich einen Tag Observation, wurde aber gleich eingespannt und einer Gruppe vom 6. Semester zugeteilt um mitzumischen. Hat richtig Spass gemacht. Ihr merkt: Ich bin überall ein wenig dabei. So auch beim Intensivkurs. Im dritten Jahr kann man zwischen mehreren Kursen auswählen und je nach eigenem Interesse einen davon belegen. Im Topf ist auch Specilty nursing, Heisst Intensivpflege. Da ich lang genug dort gearbeitet habe gebe ich in dem Fach jeden Freitag Tutorials. Die Studenten bearbeiten einen Fall und ich gehe von Platz zu Platz und helfe aus, beantworte Fragen etc. Problemorientiertes Lernen. Allerdings muss ich gewaltig vorbereiten weil deren Wissen genauso gut ist wie dass einer Deutschen Intensivschwester mit Fachweiterbildung. Am Freitag machen wir ne Fallarbeit zum Thema Beatmung und der "Case" hat es wirklich in sich. Das fantastische ist dass jeder Fall an dem vorhergehenden anknüpfen wird. Unsere Patientin ist letzten Freitag im ER aufgeschlagen und hat Pneumonie und Asthma. Nächsten Freitag wird sie dann im Verlauf (dass wissen die Studis noch nicht) intubiert und am Ende des Semesters steht bei einem unserer zwei Fallbeispiele Organtransplantation bevor. Dass wissen sie auch noch nicht hahahahaha Der Fall wird von Woche zu Woche neu erfunden, dass macht Spass und ist jedes Semester kniffelig.





So jetzt reicht es aber mal mit Uni/Pflegegeschwader

Melbourne an sich soll ja nicht vergessen werden. Am Sonntag war RMIT open day. Ups... schon wieder ein Uni-thema :) RMIT hat, wie letztes mal erwähnt, 3 Standorte. City, Brunswick und Bundoora (meiner). Am open day konnte man auf jeden Campus gehen uns sich die verschiedenen Fakultäten ansehen. Da ich in Bundoora nicht unbedingt gebraucht wurde, da dass ganze seit langem geplant war, habe ich mich entschieden den City Campus mit seinen ganzen Kunst und gestalerischen Zweigen auszuchecken. Unterstützung bekam ich von einem Amigo aus Melbourne, den ich beim Reisen vor zwei Jahren kennen gelernt hab.  Er hat selbst Kunst dort studiert und mir einen fetten Einblick mit noch fetteren Insidern verschaffen :) Danke dafür Matt!

https://www.youtube.com/watch?v=r0wvHxOM-Po


Die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft in Australien ist einfach unglaublich. Überall wird man eingeladen, jeder will irgendwie behilflich sein. Mein aktuelles Lieblingsbeispiel ist an der Tram Haltestelle auf dem Weg in die Stadt passiert. Ich hab nicht verstanden was die digitale Anzeige von mir wollte. Irgendwas wegen ner Rally, die Autos haben sich ewig zurückgestaut und die Tram war nirgends in Sicht. Also hab ich einen weiteren Wartenden um Hilfe gebeten. Ich hab ihm erklärt wo ich hin muss, dass ich kein Internetfähiges Handy hier habe um die Linien zu checken und gefragt ob die Tram da hinfährt wo ich hin will. Lächelnd hat er mir erklärt dass es nur zu Verzögerungen kommt und er selbst nicht weiss warum die das mit der Rally einblenden. Eine Station vor meiner Destination kam er in der Trambahn aus dem Nirgendwo angeschlichen, tippt mir auf die Schulter und meint: bei der nächsten musst du raus. Wollt dir nur Bescheid geben. Brauchst du noch ein Handy um jemanden anzurufen oder kommst du klar? What? Ich bin auch hilfsbereit aber so sweet war ich noch nie! Hiermit fordere ich zu mehr Zivilcourage in München und aufm Land auf! Schaut in hilflose Gesichter, nehmt die Leute mit, fragt nach ob alles verstanden wurde!


Hab ich schon erzählt dass ich am Strand war? Melbourne liegt ja am Ozean, um genauer zu sein, im Südlichen Ozean, zwischen der Great Australian Bight und der Tasmanian Sea. Dort war ich aber nicht.. Ich war nur in der Bay und zwar genau EINMAL. Kann gar nicht glauben dass das Fakt ist. Ok, am Wochenende vielleicht wieder. Es war wuuuuuunderschoen! Dass Wetter hat mitgespielt, die kühle Meerbrise hat mir die Haare und den Kopf zerzaust & die Sonne hat mir das Herz aufgewärmt. Die ganzen Skaterkids und Renten flanieren in St Kilda zwischen irischen Backpackern Hippies am Pier entlang. Aber an dieser Stelle sagen glaub ich Bilder mehr als Worte


State Library Melbourne mit fleissigen Studenten

Meine Casita, Besuch aus Deutschland gern gesehen :)



Mein wunderschöne Nachbarschaft in Northcote. Aufi auf'n Berch: Bars, Café's, Bars
 

Blick bei schönem, noch raren Wetter von meiner Tram-Haltestelle in Northcote



St Kilda, Bay, Strand, Sonne


Skater, Radler, junge Leute und alte Semester



Community gardening. Ein Verein bei dem man Pflanzen kaufen kann, selbst anpflanzen kann und am Wochenende ein Gemüseverkauf


 Ganz professionell in der Arbeit. Ich freu mich aufs älter werden.... :)


 Skulpturenpark in den  Dandenong Mountains, west-nördlich von Melbourne GBD. Zu Besuch bei meiner Mentorin. Die Gastfreundschaft hier ist einfach immer wieder unglaublich!


Blick von den Dandenong "Mountain". Ist bald nicht Bayern, ge?

Das war mein Wort zum MITTWOCH. Ja, ich bin Euch schon einen Tag voraus :)
Smooooch! Miri

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